Ein Beitrag von NICOLE OHLY-MÜLLER

Die Familie, der Albrecht Ohly entstammt, ist der Reiskirchener Linie zuzuordnen. Albrechts Vater, Pfarrer Johann Heinrich Ohly, wurde am 15.10.1796 in Hungen geboren. Buchenau im Landkreis Biedenkopf war seine erste Pfarrstelle. 1819 wurde er vom Großherzog Ludwig I. ernannt und vereidigt. Johann Heinrich hatte es zuerst nicht leicht. Ohne eigenes Vermögen und mit schmalem Gehalt versehen, war er zusätzlich auf die Einkünfte aus dem Pfarrgut angewiesen, hatte jedoch keine Erfahrungen in der Landwirtschaft und musste zudem noch Vieh sowie die notwendigen Geräte anschaffen. In einem Brief an den „Großherzoglich Hessischen Hochverordneten Kirchen und Schulrat“ in Gießen bat er um Erlass eines Teils der Zahlungen in die geistliche Witwenkasse und wies auf seine schlechten materiellen Verhältnisse hin.

Zu schaffen machte ihm ein Prozess mit seinem Amtsvorgänger. Dieser hatte vor Ohlys Amtsantritt Getreide gesät und verlangte nun einen Teil der Ernte. Ohly verlor diesen Prozess und musste erleben, dass sein Amtsnachfolger in der gleichen Angelegenheit einen Prozess gegen ihn gewann. Es erhebt sich die Frage, ob diese erlittene Ungerechtigkeit nicht ausschlaggebend für die Berufswahl seines Sohnes Albrecht geworden ist. Johann Heinrich Ohly war in erster Ehe mit Friederike Freybe, geb. 1900, Tochter eines Kirchen- und Schulinspektors, verheiratet.

Sie gebar in Buchenau 7 Kinder:

Johann Heinrichs erstgeborener Sohn wurde Pfarrer wie er. Es gibt einen Grund, warum er in einem Vortrag über Albrecht Ohly Erwähnung finden soll. Ohne ihn stünde ich heute nicht vor Ihnen.

Wir Darmstädter Ohlys stammen von Emil Ohly ab. Er heiratete Sophie Braun, seine Schwägerin, die Schwester des Gatten ihrer Schwester Luise, die später ebenfalls in Darmstadt lebte und deren Sohn Finanzminister in Hessen wurde. Sophie Braun ist, wie ihr Sohn, im Ehrengrabmal Ihres Bruders Albrecht auf dem Alten Friedhof in Darmstadt beigesetzt. Emil Ohly und seine Frau hatten ebenfalls 7 Kinder. Der Sohn Dr. Alfred Carl, 1861 bis 1906, war Tierarzt in lrwin/USA. Dessen Sohn, Carl Ohly, geb. 1892 in Irwin, kam im Alter von 4 Jahren nach dem frühen Tod der Eltern als Waise nach Deutschland zurück und wuchs bei einer Tante aus der mütterlichen Linie in Marburg auf. Er war der erste Student der Fachrichtung Flugzeugbau an der Technischen Hochschule in Darmstadt, arbeitete dann als Oberingenieur bei der Firma Schenk.

Dieser Mann war mein Großvater, sein Sohn Walter Ohly ist mein Vater. Bevor ich zu Karl Ohly, dem Revolutionär komme, der mit einer Verurteilung zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe leben musste, möchte ich kurz den historischen Hintergrund beleuchten, der die Lebensspanne von Karl und Albrecht umfasste, denn ein Mensch wird nur deutlich vor dem Hintergrund der Zeit, in der er lebt. Karl und sein Bruder Albrecht repräsentierten in exemplarischer Weise die einander entgegengesetzt wirkenden Kräfte jener Zeit. Als sie geboren werden, in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts, liegen die napoleonischen Befreiungskriege hinter uns, der Usurpator ist gestürzt, der Wiener Kongress von 1814 hat das alte Gleichgewicht der Kräfte im konservativen Sinne wieder hergestellt. Das Zeitalter der Restauration, Deutschland im Biedermeier, die Zeit hält den Atem an. 20 Jahre Frieden liegen vor uns, dieser Generation zumindest ist es vergönnt, ohne Krieg aufzuwachsen. Doch es brodelt im Untergrund. Man hatte sich des Volkes bedient, um sich von der Napoleonischen Fremdherrschaft zu befreien, jetzt wird das Volk ruhig gestellt. Ruhe ist die erste Bürgerpflicht. Im Spannungsbogen zwischen Reaktion (Stichworte Pressezensur, Demagogenverfolgung, Verbot politischer Vereinigungen) und Revolution entfalten sich neue Kräfte. Der Wiener Kongress konnte das Streben der Völker nach politischer Freiheit und vor allem nationaler Einheit nicht aufhalten. Parallel dazu beginnt für Deutschland der größte Aufbruch des Jahrhunderts, tiefgreifender als jeder Krieg und jede Revolution, die Industrialisierung. 1835 fährt die erste Eisenbahn von Nürnberg nach Fürth. Das Großbürgertum entsteht. Als in Frankreich wieder versucht wird, die Rechte des Bürgertums zugunsten des Adels einzuschränken, führt dies zur Revolution, der Funke springt über, auch nach Deutschland. Aber es kommt zu keinem Großbrand, das Feuerchen kann vom Militär an allen Schauplätzen mit den Füßen ausgetreten werden. Gegen Demokraten helfen nur Soldaten, die konservativen Kräfte gewinnen die Oberhand. Die Paulskirchenverfassung von 1848 scheitert, letzte Versuche der Demokraten, in Sachsen und Baden erneut die Bewegung anzufachen, werden 1849 von preußischen Truppen niedergeschlagen. In den folgenden 50er Jahren beginnt das Zeitalter der Praktiker, die Gelegenheitsergreifer dominieren die Idealisten, die Realpolitiker lösen die Revolutionäre ab. Als Folge der Industrialisierung sehen wir das Elend der Massen in den Fabriken, den Mietskasernen der Industriestädte. Die Arbeiterbewegung entsteht. Eine cäsarische Führungsgestalt, ein populärer Mythos schon zu seiner Zeit, betritt die Bühne der Weltgeschichte, Bismarck. 1866, der deutschösterreichische Bruderkrieg, die Schlacht bei Königgrätz, der Krieg gegen Frankreich, ein Blitzkrieg, die Schlachten von Metz und Sedan, das deutsche Volk im Siegestaumel, Wilhelm I. wird im Spiegelsaal zu Versailles zum Deutschen Kaiser ausgerufen. Das Deutsche Reich ist geboren. Wieder liegt eine längere Zeit des Friedens vor uns. Gründerzeit, die gute alte Zeit. Es wird gebaut, gegründet, spekuliert und verdient, mehr als in jeder Zeit zuvor.

Der dritte Sohn, Karl Ohly, der Ideologe, der Revolutionär. Seine Geschichte steht für die Zeit der politischen Wirren, die Jahre vor der Revolution von 1848. Karl verbringt seine Kindheit in Buchenau, besucht das Gießener Gymnasium und studiert von Oktober 1842 bis zum Sommer 1845 in Gießen Theologie. Er gehört mit Wilhelm Liebknecht, Alexander und Louis Büchner (Brüder des Dichters und Revolutionärs Georg Büchner) 1844 zu den Mitbegründern der Burschenschaft Alemannia, eine politische und damit verbotene Organisation. Im März 1846 legt Karl mit gutem Erfolg die theologische Universitätsprüfung ab, doch bemängeln die Professoren schon damals seinen ,,frivolen Ton“ in der Examensarbeit. Am 12.10.1847 meldet sich Karl bei der Darmstädter Meldebehörde an, als ev. Religionslehrer bei Kandidat Dr. Lucius. 2 Jahre später, bei Ausbruch der pfälzisch-badischen Außtandsbewegung im Frühjahr 1849 ist Karl Ohly bemüht, den Umsturz auch nach Hessen zu tragen, als vielleicht letzte Möglichkeit, der drohenden Reaktion zuvorzukommen und die demokratisch-soziale Revolution herbeizuführen. Ohly plant, mit den bislang siegreichen badischen Revolutionskommandeuren eine mehrgliedrige Zangenbewegung auf Frankfurt zu, in der die vorstoßenden badisch-pfälzischen Truppen durch eine von bewaffneten Vereinsmannschaften organisierte Volks-erhebung im Odenwald unterstützt werden soll. Er lässt die Odenwälder allerdings zu früh marschieren, und die rund 8000 Mann des am 24. Mai 1849 in Ober-Laudenbach versammelten, schlecht gerüsteten Heerhaufens werden vom Angriff der großherzoglichen Linientruppe nach kurzer Gegenwehr zersprengt. Hierbei kommt es zu der unglücklichen Ermordung des Heppenheimer Regierungskommissärs Christian Prinz. Ein Gedenkstein, der ,,Prinzenstein“, erinnert noch heute an den Mord. Christian Prinz ist übrigens ebenfalls auf dem Alten Friedhof in Darmstadt begraben. Ein Gedenkstein erinnert auch hier an dieses ,,Opfer in unruhigen Zeiten“. Nur ein Teil der Aufrührer schließt sich dann noch unter Ohly den badischen Revolutionstruppen an und unterliegt mit ihnen der von den hessischen Truppen unterstützten preußischen Straf-Expedition. Die siegreiche hessische Armee wird bei ihrer Heimkehr in Darmstadt in der üblichen Manier mit Triumphpforten, Flaggen, Blumenschmuck, Parade und Festbankett empfangen. Ohly wird wegen ,,hochverräterischer Verschwörung, Vorbereitung zum Hochverrat, Landesverrat, Anstiftung zum Aufruhr und bewaffneter Teilnahme daran“ zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt. Allerdings in Abwesenheit, denn zu dieser Zeit war er längst außer Landes geflohen. Im polizeilichen Meldebogen findet sich der Vermerk: ,,Entwich im Mai 1949 von hier ins Badische zu den Freischaren, dem Vernehmen nach“. Karl Ohly floh 1851 für immer nach England, wo er sich als Schriftsteller durchzuschlagen versuchte. Viel Erfolg war ihm dabei nicht beschieden. Er verfiel in Schwermut, verstärkt durch den Tod seiner Mutter ein Jahr nach seiner Ankunft auf der Insel. Im Frühjahr 1857 wurde er in eine Irrenanstalt eingeliefert, wo er in geistiger Umnachtung 1881 starb.

Albrecht OhlyDer vierte Sohn von Johann Heinrich und Friederike, Geburt am 27.12.1829. Aufgewachsen im Buchenauer Pfarrhaus, besuchte er anschließend das Gießener Gymnasium. 1847 beginnt er an der Universität in Gießen das Studium der Rechtswissenschaft, das er 1852 mit einem ausgezeichneten Examen abschließt. Seine Referendarzeit verbringt er in Darmstadt, und er wird Darmstadt Zeit seines Lebens nicht mehr verlassen.

Wie hat er Darmstadt angetroffen? Ich zitiere aus einem Zeitschriftenartikel des Wetterauer Volksblattes: ,,Darmstadt um die Jahrhundertmitte mit seinen schönen Häusern und Palästen, kunstvollen Anlagen und Gärten, akkuraten Plätzen und fein gepflasterten Straßen, eine freundlich langweilige Residenz, eine erkünstelte, lahme, polizeidienermäßige Schöpfung, ohne Handelsstraßen, ohne Verkehr, ohne Fabriken, aufgebaut mit ungeheuren Summen erpresster Steuergelder zum ausschließlichen Nutzen des großherzoglichen Polizeistaates und eines Beamtenheeres, mit dem man die Welt regieren könnte….“

Nun, Darmstadt hat einen Beamten mehr, den Akzessisten Albrecht Ohly, zunächst Referendar im Büro des Advokaten Ludwig. Nach vorgeschriebener Probezeit wird er von Großherzog Ludwig III. 1862 zum Advokaten am Hofgericht ernannt. Er baut sich in der Folgezeit eine eigene Anwaltspraxis auf. Er muss ein brillanter Anwalt gewesen sein. Ohlys Veranlagung und seine kämpferische Natur drängen ihn in die Politik. Er ist in seinen Anfängen ebenfalls ein Radikaler, und seine Freunde  glauben allen Grund zu haben, für seine berufliche Zukunft zu bangen. Seinen sehr ,,linksen“ politischen Ideen lässt er als guter Unterhalter bei den regelmäßigen Zusammentreffen mit Freunden bei Wein und Bier in der Bockshaut ohne Rücksicht freien Lauf, so dass ein Scherzwort unter Freunden lautete:

,,Wenn Ohly spricht, dann läuft das Blut einem aus den Stiefeln und unter den Tisch“.

Im Gegensatz zu seinem visionär erregten Bruder wird Albrecht Ohly aber ein typischer Vertreter einer Generation, die Nägel mit Köpfen machen will. Sein nüchterner Pragmatismus, der sich auf das Mögliche und Erreichbare konzentriert, überwiegt zu allen Zeiten, und nur so konnte es Ihm gelingen, in Darmstadt so viele und tiefe Spuren zu hinterlassen.

Sein besonderes Engagement gilt, bevor er endgültg die rein politische Laufbahn einschlägt, dem Schulze-Delitzschen Vorschußverein, einer Kreditgenossenschaft, die Darmstädter Handwerker und Kaufleute gegründet hatten. Im Jahre 1870 wird aus dieser mittelständischen Selbsthilfeorganisation die Darmstädter Volksbank, und Ohly wird ihr erster Direktor. Daneben entwickelt sich Ohly zu einem leidenschaftlichen Vorkämpfer für eine liberale Kirchenverfassung. Er ist führend in der Partei der Nationalliberalen und tritt ein für ein demokratisches deutsches Reich unter preußischer Führung. Am Vorabend des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71, als erkennbar wird, dass sich von Dalwigk aus diesem Krieg heraushalten will, beschließt Ohly mit einigen Gesinnungsgenossen, am 11. Juli auf dem Darmstädter Marktplatz eine Volksversammlung abzuhalten, wo entschieden ein Zusammengehen Hessens mit Preußen im bevorstehenden Kriege gefordert werden soll, aber Minister von Dalwigk verbietet die Versammlung. Seine öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten haben ihn im Laufe der Jahre zu einer bekannten Persönlichkeit in Darmstadt gemacht.

1867 wird er in den Gemeinderat gewählt. 1874 tritt eine neue Städteordnung in Kraft, die anstelle des Gemeinderates eine von allen Bürgern der Stadt – und nicht nur von gut verdienenden Bürgern – gewählte Stadtverordnetenversammlung und in großen Städten den Bürgermeister vorschreibt. Für das Amt ist ein Parteifreund Ohlys vorgesehen, der jedoch kurz vor der Wahl einem Herzschlag erliegt, woraufhin sich Ohly um dieses Amt bewirbt. Die vorangegangenen Kämpfe hatten Albrecht Ohly nicht nur Freundschaften eingebracht , was in einer starken Oppositon gegen seine Wahl zum Ausdruck kommt.

Er wird am 19. Oktober 1874 mit nur einer Stimme Mehrheit für 12 Jahre gewählt. Es sei vorweggenommen, dass Ohlys Popularität im Laufe seiner Amtszeit derart wächst, dass seine Wiederwahl am 28. Oktober 1886, diesmal einstimmig, auf Lebenszeit erfolgt. Bereits 1879 ernennt Großherzog Ludwig ihn zum Oberbürgermeister. Der Wechsel im Bürgermeisteramt bedeutet einen deutlichen Einschnitt in der Geschichte der Stadt. Ohlys in Ehren abgelöster, fast 80-jähriger Amtsvorgänger war das letzte Stadtoberhaupt, das aus einer handwerklich-kaufmännischen Bürgerschaft hervorgegangen war. Mit Albrecht Ohly tritt ein neuer Typus des juristisch vorgebildeten Kommunalpolitikers an die Spitze der Verwaltung. Als Ohly sein Amt antritt, geht es um die Frage, ob die etwas verschlafene Residenzstadt den Anschluss an die moderne Entwicklung finden wird. Es musste Einiges geschehen, wenn Darmstadt gegenüber den entstehenden Ballungszentren am unteren Main und am unteren Neckar nicht völlig ins Hintertreffen geraten wollte. Er hat sich dieser Aufgabe mit Umsicht und Energie gestellt, und es ist fast gar nicht möglich, hier alle Neuerungen auch nur aufzuzählen.

Eines seiner schönsten und ihm am Ende seines Lebens wohl liebsten Werke ist die in Gräfenhausen bei Darmstadt eingerichtete interkonfessionelle Erziehungsanstalt für verwahrloste, der Führung bedürftige Kinder. Aus kleinen Anfängen, durch Sammlungen und freiwillige Leistungen entsteht das Ohly-Stift. Es hat im Laufe seines Bestehens Tausenden von orientierungslosen Jugendlichen wieder auf den rechten Weg geholfen. Es ist heute ein Altersheim.

Beim Schulwesen galt Ohlys Interesse hauptsächlich dem Ausbau des „realistischen“ Zweiges. Die Errichtung eines Gebäudes für das Realgymnasium ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass die Technische Hochschule sich entfalten kann. Dennoch gerät das Polytechnikum noch in eine schwere Krise, die es nur mit Hilfe Ohlys überstehen kann. Als nämlich während der großen wirtschaftlichen Depression die Zahl der Studenten im Wintersemester 1881/1882 auf 98 absinkt, bildet sich im Finanzausschuss des Landtages eine Mehrheit, die sich für die Abschaffung der Hochschule einsetzt. Nachdem die Stadt für die räumliche Unterbringung der Technischen Hochschule so große Opfer gebracht hat, will Ohly einen entsprechenden Landtagsbeschluss mit allen Mitteln verhindern. Ohly ist seit 1881 Mitglied des Landtages. Es gelingt ihm, den Landtag zu einer Weiterbewilligung der finanziellen Mittel zu bewegen. Die Stadt leistete noch einen besonderen Beitrag, indem sie für die Errichtung eines Lehrstuhls für Elektrotechnik (des ersten Lehrstuhls in Deutschland) einen jährlichen Zuschuss von 6000 Mark zur Verfügung stellte: 4000 Mark als Gehalt für den Professor, 1000 Mark für Lehrmittel und 1000 Mark für den Institutsdiener. Und wie hat die Technische Hochschule mit diesen Pfunden gewuchert! Sie beruft auf den Lehrstuhl den Münchener Assistenten Erasmus Kittler. Unter seiner Leitung wird die elektrotechnische Abteilung zu einem Aushängeschild für die Hochschule und zu einem Magneten für Studierende aus aller Welt.

Gerade das letzte Beispiel ist bezeichnend für seinen Weitblick und seine unbedingte Durchsetzungsfähigkeit. Ohly war alles andere als ein Prinzipienreiter, er war ein Mann, der praktische Arbeit leisten wollte und solche auch geleistet hat. Er galt daher auch in politischer Hinsicht als unsicherer Kantonist, der durchaus nicht durch dick und dünn mit einer Partei ging. Wie oft ist ihm Schaukelpolitik vorgeworfen worden! Deshalb war er nie ein politischer Führer, wenn auch zu Zeiten ein hervorragender Agitator. Seine größte Stärke lag darin, die Dinge, die er einmal für sich als richtig und notwendig erkannt hatte, durchzusetzen, egal ob sie sich mit seinen früheren Ansichten oder den Ansichten seiner Partei im Widerspruch befanden. Die Sache wurde angepackt und durchgeführt. Er war ein Pragmatiker und kein Ideologe. So radikal er in seinen politischen Ansichten war, so konservativ war doch in vielem seine Grundhaltung, auch scheint er als Stadtoberhaupt ziemlich autoritär und von gewisser Herbheit gewesen sein.

Albrecht Ohly. Ein Schaffer, ein Kämpfer, zündend beredsam, rastlos fleißig – hatte dieser Mann ein Privatleben? Die Ratssitzungen werden als Nachtsitzungen bei mehreren Schoppen Wein und einem opulenten Mahl in der Bockshaut oder im Hotel Köhler fortgesetzt und finden nicht eher ein Ende, als bis ,,noch eine bessere Flasche“ ausgewürfelt worden ist. Er konnte einen Stiefel vertragen, auf diesen Satz bin ich in Erinnerungen an Albrecht Ohly immer wieder gestoßen. Es amüsierte mich in diesem Zusammenhang besonders, ihn als einen der führenden Männer in der Bewegung zur Bekämpfung des missbräuchlichen Alkoholgenusses gepriesen zu sehen. Ist es verwunderlich, wenn in diesem Leben weder Platz noch Zeit für seine Familie geblieben ist? Albrecht Ohly war nie verheiratet, auch dies Ausdruck seiner bestechenden Konsequenz im Handeln. Die ihm innewohnende Güte schenkte er seiner Schwester und deren Kindern, insbesondere seinem Neffen Ernst, dem späteren Finanzminister, dem er eine vortreffliche Erziehung zukommen ließ und der ihm – dem Vernehmen nach – im Charakter sehr ähnlich gewesen sein muss.

Wo treffen wir Albrecht Ohly in seiner Freizeit an? Es trieb ihn in die Natur, in die Wälder. In jeder freien Stunde war er in der herrlichen Landschaft um Darmstadt herum anzutreffen, er ließ Wanderwege neu anlegen und markieren, Karten zeichnen, war Mitbegründer des Odenwaldclubs, der ihm in Neunkirchen ein Denkmal setzte und 1901 auf dem Felsberg bei Eichenbach den Ohlyturm baute. Bürgermeister, Landtagsabgeordneter, Begründer und Vorsitzender in ungezählten Vereinen, Ausschüssen, Gremien. Der rastlose Kämpfer, der unermüdliche Schaffer, der liebenswerte Zecher – das Herz hat diesen Belastungen nicht standgehalten. Zwei wahrscheinlich widerwillig eingeschobene Kuren in Bad Nauheim und im Schwarzwald im Sommer des Jahres 1891 konnten nicht mehr zu seiner Gesundung führen.

Grab Darmstadt

Albrecht Ohly fand am 20. Dezember des gleichen Jahres in den frühen Morgenstunden einen sanften Tod, 7 Tage vor Vollendung seines 62. Lebensjahres.

Die tieftrauernden Hinterbliebenen, die Familie seiner Schwester, veröffentlichten auf Wunsch des Verstorbenen statt jeder besonderen eine schlichte Todesanzeige, die mit dem Hinweis endet: Blumenspenden sind nicht im Sinne des Entschlafenen. Ein Vermögen hat Ohly nicht hinterlassen. Seufzend hatte er mehrmals erklärt, als Anwalt habe er wesentlich mehr verdient, als als Oberbürgermeister einer Großstadt.

Das Ohly-Stift, die Ohly-Straße, der Ohly-Turm, die Ohly-Eiche halten seinen Namen in unserer Erinnerung wach.

Viel wesentlicher aber ist, dass Albrecht Ohly es in den 17 Jahren seiner Amtszeit geschafft hat, seine – unsere Stadt Darmstadt aus dem Schatten der großherzoglichen Residenz, die bereits museale Züge angenommen hatte, in die Moderne eines bürgerlichen Gemeinwesens hinüberzuführen.

Wenn Darmstadt nach der fast vollständigen Zerstörung im 2. Weltkrieg den Verlust der Hauptstadtfunktion und den damit verbundenen Abzug der Ministerien und anderer Behörden überstanden hat, so ist dies nicht zuletzt den Grundlagen zu verdanken, die Albrecht Ohly vor hundert Jahren gelegt hat.

1838 wechselte Johann Friedrich Ohly auf die Pfarrei von Großen Buseck bei Gießen über.

Hier starb 1852 Friederike Freybe. Der 56-jährige Johann heiratet im gleichen Jahr die 27 Jahre alte Wilhelmine Ritter, die ihm noch 3 Kinder gebar und ihn um 27 Jahre überlebte. Johann Heinrich Ohly starb 1862 im Akademischen Hospital in Gießen. Sein Grab ist verschollen.

Wir danken an dieser Stelle herzlichst Prof. Ihm, ohne dessen Hilfe dieser Vortrag nicht in diesem Umfang hätte zustande kommen können!

Quellen:

1. Verein für Heimatgeschichte Buchenau/Lahn, Neue Landstr. 57, 35232 Dautphetal

2. Stadtarchiv Darmstadt

3. Literaturangaben: Peter Ihm, „Wann waren die Buchenauer beim Großherzog?“ /Peter Ihm, „750 Jahre Buchenau an der Lahn“ / Peter Ihm, Buchenau an der Lahn, „Gedichte und Geschichten“, „Der Grenzgänger“